Praktische Grundsätze
Der Eintritt ins Kinderhaus bedeutet für jedes Kind einen ersten Abnabelungsschritt von der Familie. Um dem Kind eine freie Entfaltung zu ermöglichen, bedarf es einer liebevollen Atmosphäre, einer im Sinne Maria Montessoris vorbereiteten Umgebung und einfühlsamer Erzieherinnen, die das Leben im Kinderhaus gestaltend begleiten.
Die "Vorbereitete Umgebung" im Montessori-Kinderhaus:
1. Die kindgerechte Einrichtung:
Die Montessori-Materialien liegen in offenen für die Kinder zugänglichen Holzregalen bereit. Möchte ein Kind damit arbeiten, so holt es sich ein Material und stellt es auf einen kleinen Teppich. Eine Erzieherin zeigt dem Kind in langsamen, detaillierten Schritten den Umgang mit dem Material. Im Anschluss daran wiederholt das Kind die gezeigte Tätigkeit selbständig und konzentriert. Danach wird das Material aufgeräumt und an seinen Platz im Regal zurückgebracht. Die Kinder im Kinderhaus lernen Tätigkeiten, die ihnen helfen sich selbst zu organisieren und Verantwortung zu übernehmen.
Dazu gehört z. B.:
- Das Tischdecken bei Feiern (Wie viele Teller, Gabeln und Löffel brauche ich?)
- Krüge mit Getränken füllen (Bekomme ich den Flaschendeckel auf und den Inhalt der Flasche ohne Pfütze in den Krug?)
- Handtücher wechseln (Welche und wie viele benötige ich?)
- Brotkrümel aufkehren (Großer Besen oder kleiner Besen?)
- Nach dem Essen: Dosen in die Tasche, Tasche aufräumen, Geschirr spülen, Tisch abwischen, Geschirr abtrocknen, dieses aufräumen (Habe ich an alles gedacht?)
Damit unsere Kinder all diese Tätigkeiten selbstständig erledigen können, liegen die dafür nötigen Gegenstände für die Kinder griffbereit. Maria Montessori war der Meinung, dass der sorgfältige Umgang der Kinder mit den Dingen in ihrer Umgebung das Verantwortungsbewusstsein sich selbst und anderen gegenüber fördert und sie zu selbstbewussten und zufriedenen Menschen heranwachsen lässt. "Schau, was ich alles kann!"
2. Das Material:
Vom Greifen zum Begreifen - Kinder lernen durch ihre Sinne. Das Montessori-Material ist so aufgebaut, dass bei Kindern alle Sinnesbereiche angesprochen werden. Es ist in folgende Bereiche aufgeteilt:
a) Die Übungen des täglichen Lebens helfen dem Kind sich selbst zu organisieren. Dazu gehört z. B. Wasser von einem Gefäß in ein anderes zu gießen. Diese Übung dient der Vorbereitung auf das selbstständige Einschenken.
b) Das Sinnesmaterial: Durch den strukturierten Umgang mit dem Sinnesmaterial werden abstrakte Begriffe wie z. B. dick - dünn, groß - klein, eckig - rund, süß - sauer, laut - leise, etc. über die Sinne wahrgenommen und im wahrsten Sinne des Wortes begriffen.
c) Das Mathematikmaterial führt das Kind zu einem Aufbau von Denk- und Ordnungsstrukturen - Längen, Mengen, Größen, Formen und Flächen werden verglichen und unterschieden.
d) Das Sprachmaterial: Interessiert sich ein Kind für Buchstaben, so ermöglicht ihm das Sprachmaterial über das Schreiben und Aneinandersetzen von Buchstaben spielerisch zum Lesen zu kommen. Buchstaben werden taktil wahrgenommen.
e) Der Kosmische Bereich umfasst alle Materialien, die dem Kind die Welt im Großen und im Kleinen in Zusammenhängen greifbar werden lassen. Die Erarbeitung des kosmischen Bereichs erfolgt im Kinderhaus über unseren Rahmenplan (z. B. Thema Planeten, Länder, Elemente, ... ) in Form von Projekten und mit speziellen Materialien.
Allen Materialien ist gemein:
- Sie sind Entwicklungsmaterialien, die klar strukturiert sind
- Sie sprechen nur einen Lerninhalt an (Reizüberflutung wird vermieden)
- sie beinhalten eine Fehlerkontrolle, die das Kind selbst erkennen lässt, ob es richtig oder fehlerhaft gearbeitet hat. Das Kind erkennt somit selbst seine Stärken und Schwächen - es ist nicht auf den Erwachsenen angewiesen.
Neben den Entwicklungsmaterialien stehen den Kindern verschiedene Spielbereiche wie z.B. Puppenküche, Leseecke und Kaufladen zur Verfügung. In diesen Spielbereichen finden sich Kinder in kleinen Gruppen zusammen und können sich beispielsweise im Rollenspiel vertiefen. Tägliche Aufenthalte im Freien fördern zusätzlich die Sinneswahrnehmung.
3. Die sensiblen Phasen:
Kinder lernen besonders schnell, wenn sie sich für etwas interessieren. Maria Montessori spricht in diesem Zusammenhang von sensiblen Phasen. Sie meint damit Zeiten, in denen Kinder besonders aufnahmefähig sind. Sei es z.B. das Interesse für Mengen, Buchstaben, Sachthemen wie das Weltall ...
Die Vorbereitete Umgebung im Montessori-Kinderhaus ermöglicht dem Kind, sich entsprechend seiner sensiblen Phase weiterzuentwickeln und seinen Wissensdurst zu stillen. Ein Kind, das sich z.B. im Alter von 4 Jahren aus eigenem Interesse mit Buchstaben befasst, kann aufgrund dessen und seines inneren Motors in kürzester Zeit, geradezu explosionsartig das Lesen lernen.
4. Was uns in der Arbeit mit unseren Kindern wichtig ist:
- Wir möchten, dass sich jedes Kind in seiner Persönlichkeit liebevoll angenommen fühlt.
- Es ist uns wichtig, eine klare konsequente Haltung zu zeigen, die dem Kind Halt gibt.
- Wir achten die sensiblen Phasen der Kinder, geben ihnen Zeit zum Arbeiten, zum Vertiefen und um das Angefangene zu Ende zu bringen.
- Der Umgang mit den Arbeitsmaterialien wird den Kindern gezeigt - mit wenig Sprache, denn diese lenkt ab!
- Das Wichtigste für uns ist, den Kindern soviel wie nur möglich selbständig tun zu lassen. Wir Erzieher müssen uns dabei zurückhalten und schreiten nur dann ein, wenn es nötig ist.
- Dies beinhaltet jedoch auch, konsequent Grenzen zu setzen, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird.
In der Arbeit mit unseren Kindern erleben wir, dass durch diese Form der Pädagogik Kinder selbstständig werden, dass sie Hürden nehmen und somit an Selbstbewusstsein gewinnen. Sie lernen Verantwortung für sich und andere Menschen zu übernehmen – gerade dies ist heute nötiger denn je.
Kooperation mit der Montessori-Schule:
Da Kinderhaus und Schule unmittelbar benachbart sind, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen beiden gegeben. Die Kinder schnuppern ins Schulleben hinein und der Übergang in die Schule ist fast nahtlos. Andererseits steht auch für die Schulkinder das Kinderhaus offen. Projekttage und Feste werden gemeinsam gestaltet und ermöglichen so ein gegenseitiges Kennenlernen.
Aus den Jahrgangsstufen 5 und 6 kommen regelmäßig Schüler zu uns, die einem Kinderhauskind etwas vorlesen. Diese Lesepatenschaften werden jedes Schulhalbjahr neu belegt. Jedes Kinderhauskind darf selber entscheiden, ob es einen solchen Lesepaten haben möchte. Diese „Verbindung zu den Großen“ ist eine echte Bereicherung.
Hier erzählt Jana, 4 Jahre alt, was ihr so gut an ihrer Lesepatin Angela gefällt: „Ich freue mich, dass die Angela immer am Donnerstag zu mir kommt. Dann darf ich mir ein Buch aussuchen. Dann gehen wir in die Kuschelecke und machen es uns dort gemütlich. Die Angela kann gut vorlesen. Sie ist auch immer so nett zu mir. Wenn sie wieder in die Schule rübergeht winke ich ihr am Fenster. Wenn ich mal groß bin und in die Montessori-Schule gehe, kann ich meine Lesepatin immer in der Pause treffen!“
Vorschüler haben jeden Herbst/Winter die Möglichkeit, das Schlittschuhlaufen zu erlernen. Wir gehen über einen Zeitraum von 5 Monaten ein- bis zweimal monatlich in den Icedome, der ganz in unserer Nähe ist. Montessori-Schüler aus dem Jahrgang 5/6 unterstützen uns dabei. Die hier entstandenen Partnerschaften heißen „Schlittschuhpaten“ und bieten sowohl den Großen ein Lernfeld der Übernahme von Verantwortung und Fürsorge, sowie den Kleinen ein Lernfeld des Vertrauens in die Jugendlichen und eine Verbindung zur Schule, in die sie dann kurze Zeit später gehen.